Leben in Andalusien

28. FEBRUAR - DÍA DE ANDALUCÍA

Vorneweg-Worte

Der 28. Februar ist ein Feiertag in ganz Andalusien. Zelebriert wird der “Día de Andalucía”, der Andalusientag. In diesem Beitrag werde ich erzählen, seit wann es ihn gibt, wie er entstanden ist und wie er in diesem Jahr in Almuñécar und La Herradura begangen wurde. 

Ich mache einen Abstecher in die jüngere Geschichte Spaniens und Andalusiens, treffe kurz auf Herkules, schaue mir die andalusische Fahne genauer an und die andalusische Hymne, die ihr ganz am Ende anhören könnt.

Feierlichkeiten 2023

Andalusier sind bekannt für ihre Freude am Zusammensein. So auch zum Día de Andalucía. 

Zwei Tage zuvor, am Sonntag, ging es los in Almuñecar. Man ließ sich gutes und für die Region typisches Essen schmecken auf der “Fiesta de Día”. Mit “Fiesta de Día” ist zumeist ein großes Festzelt gemeint, in dem im Laufe des Tages allerhand geboten wird, in dem man zusammenkommt, um gemeinsam zu feiern. 

In La Herradura war ich nach langer Zeit endlich mal wieder im Theater. Dort fand am Montagabend ein Chortreffen im Theatersaal des Centro Cívico statt. Mein Rociero-Chor hatte drei weitere Chöre eingeladen. Wir singen vor allem andalusische Musik. Sevillanas zum Beispiel sind ein Teil unseres Repertoires. 

Ergreifend, ja berührend war, als alle Chöre zusammen vor dem Theater zu Beginn die andalusische Hymne sangen, während die andalusische Flagge gehisst wurde. Erst danach wurde der Saal für die vielen Besucher geöffnet.

Der Rociero-Chor "Coro cosas nuestras" am Día de Andalucía
Mein Chor: Der Chor Coro Cosas Nuestras

Am Dienstag wurde es offiziell

Bei Sonnenschein und einem Himmel dessen Blau fotogeshopt hätte sein können, fuhr ich nach Almuñécar. Der Wind kann um diese Jahreszeit empflindlich kühl sein. Doch heute wehte nur ein Lüftchen. Heute war er sanft und umspielte mich und die in der Sonne sitzenden und schwitzenden Zuschauer. 

Die Honoritäten der Stadt kamen zusammen, den Día de Andalucía zu würdigen. 

Natürlich begann die Veranstaltung mit der Hymne, natürlich wurden Reden gehalten, natürlich andalusische Tradition gepflegt. Ein Flamenco-Sänger von einem Gitarristen begleitet beeindruckte die Zuschauer. Manch Nordeuropäer findet auch nah Jahren hier keinen Zugang. 

Von Minute zu Minute kamen mehr Menschen zusammen.
Dirigent und einige Mitglieder des Orchesters
Día de Andalucía

Kurzer Blick auf die jüngere Geschichte

Ich habe viel Neues in den letzten zwei Wochen gelernt. Mir ist klar geworden: Ohne einen Rückblick auf die jüngere spanische Geschichte, kann man die große Bedeutung des Tages nicht so recht nachvollziehen. Darum erzähle ich ein wenig davon. 

Der Weg in die Demokratie

Nach Francos Tod (1975) begann der Weg in die Demokratie, die so genannte Transition. Gemeint ist damit der friedliche Übergang in ein demokratisch konstituiertes Land. Er war wohl auch in manchen Bereichen ein steiniger. 

So kam es zu Auseinandersetzungen in Sachen Staatsform. Die einen wollten ein Spanien ohne “Autonome Gemeinschaften” mit einer zentralen Regierung in Madrid. Andere wollten “Autonome Gemeinschaften”, das Baskenland und Katalonien die Unabhängigkeit. Beide – Baskenland und Katalonien – wurden rasch zu so genannten Vorautonomien gekürt. Damit sich das nicht als Sonderstellung etablierte, sprach man bald anderen Regionen ebenfalls diesen Status zu, darunter auch Andalusien.

Die Verfassung

1978, am 6. Dezember. Die Verfassung Spaniens wurde in einem Referendum ratifiziert. Fast neunzig Prozent der Bevölkerung stimmten dafür, wenn auch im Baskenland deutlich weniger. Der damalige König Juan Carlos I. unterzeichnete die Verfassung am 27.12.1978. Seither ist sie mit nur zwei Änderungen in Kraft. 

Zur Erinnerung: Spanien heißt offiziell Königreich Spanien.

Die "Autonomen Gemeinschaften"

In der Verfassung Spaniens ist verbrieft: 

Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier, und anerkennt und gewährleistet das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, die Bestandteil der Nation sind, und die Solidarität zwischen ihnen.”  (Artikel 2 der Verfassung)

Gründung der Autonomen Gemeinschaft Andalusien

Ich las, dass der Prozess der Entwicklung der “Autonomen Gemeinschaften” vier Jahre währte, von 1979 bis 1983. Gebiete schlossen sich zusammen, geografisch begründet oder/und geschichtlich. 

Am 28. Februar 1982 stimmten die Andalusier in einem Referendum für das Statut, durch das Andalusien zur Autonomen Gemeinschaft wurde. Daneben entstanden 16 weitere. Zuerst gehörten noch die beiden Städte Ceuta und Melilla zu Andalusien.

Somit ist der 28. Februar 1982, der Día de Andalucía, das Geburtsdatum des Andalusiens der Gegenwart, wie wir es im demokratischen Spanien kennen, schätzen und lieben. 

Schade, dass ich nicht auf die Idee gekommen war, eine Geburtstagstorte in den Farben Andalusiens zu backen. Hoffentlich erinnere ich mich im nächsten Jahr daran. 

Meine Quelle und weiterführende Infos findet ihr hier.

Urheber dieser Karte ist Manfred Werner. Zu finden ist sie hier.

Die andalusische Flagge

1981, am 30. Dezember, wurde die andalusische Fahne per Gesetz angenommen. 

Quergestreift – grün-weiß-grün – flattert sie auf dem Foto munter im Wind. Das Grün wird bezeichnet als Umayyadengrün, was eine geschichtliche Bedeutung hat. Es lohnt sich nachzulesen. Daneben verbinden wir Grün symbolisch mit Hoffnung, das Weiß soll Freiheit symbolisieren.

Was ein Wind!

Als ich die Fahne fotografierte, war mir noch nicht klar, was und wer mir bei der näheren Beschäftigung mit ihr begegnen würde. Weit führte sie mich zurück in die Geschichte bis hin zu Herakles (römisch Herkules). 

Aufgrund des Windes könnt ihr das Wappen oder besser Emblem nicht so recht erkennen. 

Da sind zwei Säulen, in deren Mitte sich Herkules befindet, an jeder seiner Seiten ein Löwe. Im Bogen, der die Säulen oben verbindet, steht geschrieben: DOMINATOR HERKULES FUNDATOR (Herrscher Herkules der Gründer). Bisher dachte ich immer, es seien schmückende Linien. So kann man sich irren. 

Die Basis des Emblems ist ein Sockel versehen mit den Worten ANDALUCÍA POR SÍ, PARA ESPAÑA Y LA HUMANIDAD (Andalusien für sich, für Spanien und die Menschheit).

Wie kommt nun Herkules nach Andalusien? 

Herkules und die Meerenge von Gibraltar

Herkules, der starke und unsterblich gewordene Halbgott der griechischen Mythologie, soll der Erzählung nach an der Ausfahrt des Mittelmeeres die Inschrift “NON PLUS ULTRA” angebracht haben. Das bedeutet “Nicht mehr weiter” im Sinne von “nun kommt nichts mehr”. Man spricht in dem Zusammenhang von den “Säulen des Herkules”. Gemeint sind damit die beiden Felsen, die die Meerenge von Gibraltar rahmen. Auf der europäischen Seite ist es der “Affen-Felsen” von Gibraltar. Was die nordafrikanische Seite betrifft, gibt es zwei, die gemeint sein könnten.

Nun ja, dann kam Kolumbus – spanisch Cristóbal Colón. Er hat, wie wir wissen, das bis dahin gültige Weltbild tüchtig auf den Kopf gestellt.

Kleiner Einschub für Interessierte: In der Folge wurde das spanische Wappen geändert. Die Inschrift NON PLUS ULTRA auf dem Banner im Wappen wechselte unter Karl V. zu PLUS ULTRA.

An dieser Statue von Kolumbus kam ich auf dem Weg zum symbolträchtigen Kloster La Rábida vorbei.
Die spanische Flagge mit ihrem Wappen
Leider ist das "Plus Ultra" im Banner kaum zu erkennen. Der Wind war heftig. Aber ohne Wind ...

Die Hymne

Durch die Hymne bin ich auf Blas Infante gestoßen, dem wir den Text verdanken. Er war Politiker, Schriftsteller, Jurist, Historiker und Musikwissenschaftler und wurde im Jahr 1939 während des Bürgerkrieges ermordet. Bis heute wird er vielfältig und außerordentlich gewürdigt, allem voran in der Präambel des andalusischen Autonomiestatuts. 

“Wegen seines Engagements für eine Autonomie Andalusiens wird er in der Präambel zum Andalusischen Autonomiestatut Padre de la Patria Andaluza, Vater der andalusischen Heimat, genannt.” 

Auf meiner Suche bei Google nach ihm, zeigte man mir ungefähr 3.970.000 Ergebnisse in weniger als einer Sekunde an. Plätze und Straßen sind nach ihm benannt, Gedenktafeln und Skulpturen finden sich an vielerlei Orten. 

In Almuñécar ist ihm der Torbogen am Festplatz gewidmet. Und der Weg, der vom Mittelbogen des Tores über den Parkplatz führt, ist laut Google-Maps der Paseo Blas Infante. Das alles war mir nicht bekannt. 

Er und das Tor, so scheint mir, verdienen einen Extra-Beitrag. 

Auf dieser Tafel an der Innenseite des mittleren Torbogens befindet sich eine Passage aus des Hymne Andalusiens: Queremos volver a lo que fuimos ...

Text Spanisch und Deutsch

La bandera blanca y verde / vuelve, tras siglos de guerra / a decir paz y esperanza / bajo el sol de nuestra tierra.

¡Andaluces, levantaos! ¡Pedid tierra y libertad! ¡Sea por Andalucía libre, España y la humanidad!

Los andaluces queremos / volver a ser lo que fuimos / hombre de luz, que a los hombres / alma de hombres les dimos.

¡Andaluces, levantaos! ¡Pedid tierra y libertad! ¡Sea por Andalucía libre, España y la humanidad! 

 

Die weiß-grüne Flagge / kehrt zurück nach Jahrhunderten des Krieges / um Frieden und Hoffnung zu verkünden / unter der Sonne unseres Landes.

Andalusier, erhebt euch! Verlangt nach Land und Freiheit! Seid für ein freies Andalusien, Spanien und die Menschheit!

Wir Andalusier wollen wieder das sein/ was wir waren/  Menschen des Lichts, die den Menschen eine menschliche Seele / einen menschlichen Geist gaben. 

Andalusier, erhebt euch! Verlangt nach Land und Freiheit! Seid für ein freies Andalusien, Spanien und die Menschheit!

Premiere: Das erste You-Tube-Video

Heute binde ich das erste Mal ein You-Tube-Video ein. Ich möchte euch gern die auf diese schöne Weise, wie ich finde, gesungene Hymne Andalusiens vorstellen. Achtet mal darauf, wie er das “c” ausspricht. Das ist typisch “andaluz” und ich liebe es.

Was mich wundert und angenehm überrascht: Der Umgang mit der Hymne ist ein komplett anderer als wir es in Deutschland gewöhnt sind. Der Interpretationen gibt es ungezählte. Manche sind eher getragen, manche heiter. Aber egal wie, immer spürt man die Wertschätzung, die Liebe zu diesem Lied, die Liebe zu Andalusien. 

Hintendran-Worte

Nun liegt sie vorerst hinter mir, die Reise in die Geschichte des Día de Andalucía. Sie führte mich weiter als zuvor vermutet. Nicht immer war es einfach für mich, auf dem Hauptweg zu bleiben. Die zahlreichen Nebenwege erschienen doch allzu verlockend. Und ich staune immer wieder auf’s Neue, wie verwoben doch alles miteinander ist. 

Manchmal, wie mit dem Foto von Kolumbus, erhält etwas einen Platz, was sich einige Jahre in der digitalen Schublade befand. Wie gut, dass ich auf sie zurückgreifen kann. 

Auf ein baldiges Wiederlesen, eure Ramona 

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10 Antworten

  1. Vielen lieben Dank für die kulturell schön beschriebene Vorgeschichte.
    Es ist nicht nur verständlich beschrieben sondern noch mit Bildern hinterlegt.

    Es ist erfreulich das sich jemand diese Mühe macht und es zu lesen ist wie ein spannender Roman.

    1. Lieber Hans-Joachim, herzlichen Dank für diese Rückmeldung. Freue mich sehr darüber! Ich bin ja immer selbst überrascht, was mir “unterwegs” so alles begegnet. Liebe Grüße, ramona

  2. Hallo Ramona, obwohl wir uns nicht kennen, habe ich voller Interesse deine Beschreibung gelesen. Ich habe eine kleine Wohnung in Almuñécar, bin im deutschen Club, nur leider konnte ich die letzten 2 Jahre nicht kommen.
    Habe aber noch einige Kontakte zu Almunecar.
    Liebe Grüße Christel Thamm

  3. Hallo Ramona,
    eigentlich hatte ich geplant im April zu kommen, weil ich einiges beim
    Notar klären muss. Du bist fuer mich eine ungaublich interessante Frau, vor der man den Hut ziehen muss. Was du alles geleistet hast. Sollte es irgendwie doch klappen, wuerde ich versuchen, dich zu informieren, vielleicht koennte man sich mal kurz treffen. Hoffentlich finde ich dich hier wieder, denn ich bin nicht mehr so fit mit der Technik.
    Unbekannter Weise
    liebe Grüße Christel

  4. Danke Ramona, dass du unserem Verein diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hast.
    Ich und sicher viele andere haben einiges dazu gelernt.
    Erika

    1. Hallo liebe Erika, es freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Mir macht das Schreiben im Zusammenhang mit der Fotografie sehr viel Spaß und wenn es gefällt, dann natürlich gleich noch mehr. Hab eine schöne Semana Santa, ramona

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