
Ich werde immer mal wieder gefragt, was ich im Vorfeld gemacht und wie ich meinen neuen Lebensort gefunden hatte. Ausführlich dazu hab ich in drei Beiträgen unter der Kategorie Rückblicke geschrieben.
In diesem Beitrag geht es um Fragen, die im Vorfeld bedacht werden sollten. Keinesfalls sind sie wissenschaftlich auf ihre Effektivität hin untersucht und sie erheben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es waren und sind meine Überlegungen, meine Erfahrungen, meine derzeitigen Bewertungen der Situation. Andere Sehweisen sind wahrscheinlich.
Am Ende stelle ich euch einen Text zum Thema Reisen aus “Tagebuch 1946 – 1949” von Max Frisch vor.
Jede 100ste Person in Rente verlässt Deutschland. Die meisten zieht es nach Österreich und in die Schweiz. Dann kommen die USA. Spanien folgt mit Abstand. Auch Frankreich, Kanada und Thailand sind Ziele. Daneben steigt die Zahl derer, die nach Osteuropa gehen.
Gründe sind das bessere Klima mit entsprechenden Auswirkungen auf die Gesundheit, eine größere finanzielle Beweglichkeit und die Lust noch einmal etwas ganz Neues zu machen.
Die Infos sind hier entnommen.
Es gibt sehr verschiedene Möglichkeiten im Alter im Ausland zu leben und es gibt keine Lösung, die für alle gleichermaßen gut und umsetzbar ist.
Ich schlage vor, sich vom Großen zum Kleinen vorzutasten. Vom Großen zum Kleinen bedeutet in meinen Augen zu klären, ob es Europa sein soll oder vielleicht doch deutlich weiter weg?
Die Entscheidung ist für Europa gefallen? Dann heißt es zu überlegen, welches Klima ist das richtige? Soll es möglichst moderat sein, zieht es mich in wärmere Regionen? Soll es meiner Heimat ähnlich oder darf bzw. soll es ganz anders sein? Will ich Regen und grauem Winter entgehen oder liebe ich besonders den Frühling nach einem Winter mit möglichst Schnee oder den Herbst mit seinen bunten Wäldern?
Soll es in den Süden gehen, rücken diverse mögliche Ziele weit gestreut von Ost nach West bis hin zum Atlantik in den Blick. Mich hatte es nach einem Urlaub in “Conil de la Frontera” an der Costa de la Luz direkt nach Spanien gezogen. Damit war zumindest diese Entscheidung relativ einfach für mich. Aber wohin in Spanien?
Wie ich zu meiner Entscheidung fand, kann man hier nachlesen.
Egal, wie letztlich vorgegangen und welche Form gewählt wird, der Fragenkatalog wird helfen, sich bewusster entscheiden zu können. Wie bereits zu Beginn geschrieben, geht es um meine Überlegungen im Vorfeld kombiniert mit dem, was mir später auffiel.
Warum reisen wir?
Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, daß sie uns kennen ein für allemal; damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei – es ist ohnehin wenig genug.
Max Frisch hat damit sicher an kein Shopping-Wochenende in New York gedacht, sondern das Reisen als Eintauchen in die Gesellschaft, in das uns fremde Leben mit neuen Begegnungen. Es eröffnet sich für uns und ebenso für unser Gegenüber, die Möglichkeit, unvoreingenommen wahrgenommen zu werden. Gewordene, die wir sind und immer noch Werdende, nicht Gewesene beschwert durch einen Rucksack gefüllt mit festgefahrenen Ansichten.
Ich habe auch mich hier neu erfahren. Das macht sich an Äußerlichkeiten fest. Die Haare sind lang geworden, die Kleider bunter. Und innerlich? Ja, auch! Ich kann warten, sehe die Dinge meist gelassener, kaum etwas muss noch am besten gleich und sofort sein.
Damit möchte ich keinesfalls abwerten, was war. Ich vermute nur, die innere Wandlung wäre in Deutschland, in meinem gewohnten Umfeld, umgeben von den gleichen Personen wie seit Jahren, nicht in dieser Weise möglich gewesen. Ich fühle mich hier freier und ruhiger geworden, nicht stiller!
Heute spricht man gern von sozialen “Bubbles”, in denen wir uns je befinden. Sie zu verlassen, wird Veränderungen auslösen, an die überhaupt nie gedacht wurde.
Seit 6 Jahren lebe ich in Andalusien. Bisher habe ich es nicht bereut. Ich bin bestens vernetzt. Aufgrund meines spanischen Partners gut in der spanischen Welt. Wie wir uns kennenlernten, darüber werde ich demnächst schreiben. Es war ziemlich lustig.
In das spanische Gesundheitssystem habe ich hineingefunden und fühle mich gut versorgt.
Ich genieße die milden Temperaturen im Winter sehr, den blauen Himmel, der jede Kitschpostkarte in den Schatten stellt, vor allem aber das Licht. Und natürlich bin ich dankbar, Menschen getroffen zu haben, die mir Freund oder Freundin wurden.
Sollte ich jemals nach Deutschland zurückkehren wollen, was ich mir derzeit nicht vorstellen kann, wäre das für mich kein Scheitern, wie ich bereits an anderer Stelle schrieb. Die wunderbaren Jahre hier, die kann mir niemand mehr nehmen.
Liebe Grüße aus Andalusien und auf Wiederlesen, eure Ramona