Ein nachts um 3.00 Uhr klingelndes Telefon verheißt nur selten etwas Gutes.
Der Anrufer ist mein Lebensgefährte, mein lieber Omar Alberto. Er befindet sich im Cortijo am Río Jate. Weil ich morgen ein Päckchen erwarte, bin ich in der Wohnung in La Herradura.
Nachbarn informieren
Er fragt mich höchst ungeduldig, ob ich die Nummer von unserem Nachbarn gegenüber hätte, dem Musiker. Und wenn ich sie hätte, dann soll ich anrufen und ihm sagen, dass er aufbrechen soll. Zack. Aufgelegt.
Ich zähle eins und eins zusammen. Das kann nur ein Feuer sein. Den Nachbarn erreiche ich nicht.
Genauerer Bericht
Omar ruft wieder an, um zu berichten, was gerade geschieht. Seit ungefähr 23 Uhr beobachtet er das Feuer, das am frühen Abend ausgebrochen war. In der Zwischenzeit ist es extrem angewachsen. Nein, er neigt nicht zu dramatischen Übertreibungen. Lucy ist mit ihm bereits im bzw. am Auto. Und der alte Klepper läuft zum Glück. Ein klein wenig will er noch abwarten und dann nach La Herradura kommen.
Mir ist das "ein klein wenig" schon viel zu lange. Ich kann mir ja kein reales Bild machen, habe nur um 3.09 Uhr ein wenn auch verrauschtes aber durchaus beängstigendes Handyfoto bekommen.
Mehr als eine Stunde später ist er immer noch nicht in der Wohnung. Für die Strecke braucht man aber maximal nur 15 Minuten.
Den Nachbarn erreiche ich auch immer noch nicht. Herr im Himmel!! Wozu hat er denn ein Handy. Insgesamt probiere ich es 39mal!
Erneuter Anruf
Erneut klingelt mein Telefon. Omar. Mein erster Gedanke: Er kommt da nicht raus. Zum Glück bestätigt sich das nicht. Er wollte noch schauen, wie es sich entwickelt. Nebenbei konnte er die Guardia Civil informieren, dass im gegenüberliegenden Haus ein Deutscher wohnt. Der, falls sein Auto vor der Tür sein sollte, wohl tief und fest schläft. Dann ist er gefahren. Sie hatten ihm gesagt, eine große Feuerfront (un gran frente) würde von weiter hinten kommen.
Alles gut!
Um 4:32 Uhr erreicht mich die Nachricht vom Nachbarn: "Alles gut, die Guardia Civil hat mich geweckt." Ich bin beruhigt - eine Sorge weniger.
Endich da
Kurze Zeit später sind meine beiden endlich zu Hause. Omar erzählt, Häuser seien zerstärt und es habe Explosionen gegeben. Das passiert wohl mit den Gasflaschen. Viele Menschen von weiter hinten oder von weiter oben, hatten die Flucht ergriffen, sind an ihm vorbeigefahren und ich denke : "So so, vorbeigefahren an dir und du bist geblieben", sage aber nichts.
Es ist bedrohlich
Omar dachte daran, meinen Fotorucksack aus dem Haus mitzunehmen und hat fotografiert. Es ist etwas ganz anderes über ein Großfeuer zu lesen, es auf der Couch sitzend im Fernsehen zu sehen oder aber persönlich vor dieser Feuerwand zu stehen. Ich schaue mir die handvoll Bilder an und mich gruselt es.
Nun bleibt uns nur zu warten und zu hoffen. Vor allem, dass bald per Flugzeug gelöscht wird. Nachts können sie nicht fliegen. Darum hatte das Feuer auch reichlich Zeit.
Kurzes Treffen mit Conny
Um sieben Uhr fahre ich zu einem Treffpunkt, möchte meiner lieben Freundin Conny rasch etwas geben. Wir sehen die Rauchwolken, die in Richtung Meer ziehen. Ich deute das als kein gutes Zeichen. Weil es signalisiert, der Wind kommt vom Land und treibt das Feuer nach unten in Richtung Strand. Es könnte das Cortijo treffen.
Beim Bäcker
Danach fahre ich zum Bäcker. Die Verkäuferin ist sehr anders als sonst. Ich erfahre, sie hat ihr Cortijo verloren - zerstört, weg! Manche "Cortijeros" haben eine Wohnung und nutzen das Haus auf dem Land am Wochenende. Andere wohnen ganzjährig draußen und haben ihr Zuhause verloren.
Die gesamte Brandfläche beträgt laut Googlemaps 20 Quadratkilometer. Die Luftfeuchtigkeit war auf 18 % gesunken, die Temperatur um 10° gestiegen, sagt die Presse.
Entwarnung
Gegen 14.00 Uhr kommt die erlösende Nachricht. Das Feuer war bedrohlich nah gewesen, hat aber das Tal, in dem unser Cortijo ist, nicht verbrannt. Der Wind hatte gedreht. Es geht um popelige 200 m, vielleicht waren es 300. Eigentlich sind die nichts im Verhältnis zu 20 Quadratkilometern - und doch sind sie genug.
Gebremste Freude
Wir sind verhalten froh. Verhalten, weil es andere schlimmer erwischt hat. Auch das weiter im Land liegende Grundstück unserer Vermieterin hat es getroffen. 40 Avocadobäume sind verbrannt.
Zurück auf's Land
Omar fährt ins Haus. Bald erhalte ich eine Nachricht, alles sei einigermaßen ok.
Die drei Hubschrauber fliegen allerdings weiter. Sie holen Wasser in riesigen Behältern, die unter ihnen an einem Seil hängen. Man hört nicht nur das vertraute Geräusch, sondern sie haben nun zusätzlich Sirenen, wie die Polizei.
Bis es dunkel ist, lassen sie besonders an zwei Punkten immer wieder das Wasser hinabstürzen.
Der Tag danach
Die Erleichterung, dass unser Cortijo verschont wurde, ist überlagert von einer Decke der Traurigkeit. Für uns sind die Informationen über zerstörte Häuser keine anonyme Größe. Es geht ja um Menschen, mit denen wir gemeinsam die Romería in Cerval begehen, die wir kennen, die uns fröhlich begrüßen, die uns beim Vorbeifahren zuwinken.
Unterwegs
Ich biege ab in die Straße, die am Río Jate entlang führt und bin überrascht auf ganz normale Natur zu treffen. Doch bald schon ändert sich das Bild.
Hinweis: Die Fotos, die ich hier zeige, sind alle auf meinem üblichen Weg oder von unserem Haus aus gemacht. Ich bin keine Katastrophen-Touristin!
Am Haus
Irgendwie sieht auf den ersten Blick alles ganz normal aus. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Um das Haus herum ist es auch gar nicht so arg verschmutzt, wie ich erwartet hatte. Aber ein strenger Brandgeruch liegt in der Luft. Ich frage mich, ob man die Früchte noch genießen kann. (Man kann!)
Notruf 112
Zunächst entdecke ich in einem weiter weg liegenden verbrannten Bereich Rauch. Mit dem Fernglas sehe ich, dass sich da ein kleines Feuer entwickelt und zeige es Omar. Er klärt mit einem Freund sofort den genauen Ort und ruft öhne zu zögern die 112 an, denn schon sieht man die Flammen auch ohne Fernglas. Sie sagen, dass Kontrolleure draußen sind und die informiert werden. Bald schon kommt jemand und löscht den Brand.
Zweites Hinschauen
Ich schaue mich nun genauer um und entdecke dies von unserer Terrasse aus. Der Riesenkaktus steht neben unserem kleinen Pool, das weiße Haus ist neu gebaut. Wenn man vom Haus gerade nach oben schaut, sind da verbrannte Bäume. Man kann auch erkennen, dass der Wassertank geschwärzt ist. Bis dahin also reichte das Feuer.
Hier hab ich das Umfeld der Bäume nochmal mit einem anderen Objektiv fotografiert. Man kann sehr gut die Feuergrenze erkennen. Der Wind trieb die Flammen dann hinter dem Berg entlang und nicht zu uns. Nur deshalb blieb unser kleines Paradies verschont.
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