Lesen ist für mich existentiell. Seit ich lesen kann, lese ich. Morgens, mittags, abends. Oft genug haben mich Bücher durch schlaflose Nächte getragen.
Darum freue ich mich besonders, dass in der "Deutschsprachigen Vereinigung" eine neue Gruppe entstand - der Kulturkreis.
In diesem Beitrag schreibe ich über das Lesen an sich, von meinem Leseleben und ich erzähle eine alte Geschichte.
Lesen als Flucht?
Manche sagen, durch Lesen würden wir fliehen in eine Scheinwelt oder ein Leben aus zweiter Hand führen. Vielleicht ist das so, vielleicht tauche ich ab.
Gleichwohl übe ich mich in Empathie, erweitere meinen Wortschatz, meine Fachkompetenz, entwickle innere Bilder und damit Kreativität. Ich schaue über den Tellerrand und lerne die unendlich vielen Abstufungen zwischen schwarz und weiß kennen und würdigen.
Die Forschung sagt
Lesen entspannt, reduziert somit Stress, scheint Demenzerkrankungen vorzubeugen und eine Studie belegt, zu lesen erhöht die Lebenserwartung. Quelle
Für mich ist ein Leben ohne Bücher unvorstellbar. Seit frühester Jugend begleiten sie mich. Manche sind wie Meilensteine. Von einer klimperkleinen Auswahl erzähle ich.
Erste Erfahrungen
Als Kind war mir Schokolade völlig egal. Essen überhaupt war nicht wichtig, eher anstrengend, weil sich zum fehlenden Appetit die gruselige Geschichte vom Suppenkasper gesellte. Mein Lesehunger jedoch war gut ausgebildet.
Selbst ist das Kind
Ich konnte rasch lesen und die wunderbare Welt der Buchstaben selbst entdecken, mit meinen Helden und Heldinnen fiebern, mit ihnen lachen, leiden und erleichtert aufatmen. Mein Leseglück begann.
Mädchenbücher und Winnetou
Nach den ersten Mädchenbüchern begegnete mir Karl May. Die Geschichten um den Häuptling der Apatschen Winnetou und Old Shatterhand faszinierten mich. Wieviele Tränen vergoss ich doch, als Winnetou starb.
Aber: Gestorben oder nicht, ich stellte mir vor, wie er irgendwann angeritten kommt auf seinem Rappen Iltschi, um mit mir davon zu galoppieren ins nie und nicht endende Glück. 9 oder 10 Jahre zählte ich damals.
Die Winnetou-Reihe wurden verfilmt. Ich fieberte den Vorstellungen im “Globus” entgegen, ein Kino ganz in der Nähe. Ja, das gab es damals in Berlin, Kinos immer in der Nähe.
Mein erster Roman
“Gone with the Wind – Vom Winde verweht”. Das Buch stand neben wenigen anderen im Wohnzimmerschrank.
So trat ich mit etwa 14 Jahren ein in das Südstaatendrama, in die Welt der Sklaverei, der Ausbeutung, nahm Teil am Niedergang einer Herrschaftsidee, die bis heute noch längst nicht überwunden ist.
Ich lernte Scarlett kennen mit all ihren Facetten und Rhett Butler, den Zynischen und Zwielichtigen. Meine beste Freundin Elke las es auch. Wir dachten in ihrem winzigen Zimmer nach über das Elend der Sklaverei, überlegten, ob wir uns einen schwarzen Freund vorstellen könnten (wir konnten!) und spannen eifrig an verschiedenen Fortsetzungen.
Bis heute ist mir Scarletts Satz in Erinnerung geblieben und manchmal war er Hilfe:
“After all, tomorrow is another day.”
Vom Vorlesen
Die Stunden sind ungezählt, die ich meinen Kindern vorgelesen hab. Nach vielen Bilderbüchern begleiteten uns später zum Beispiel Janoschs “Der kleine Bär und kleiner Tiger". Noch später kamen hinzu die Bücher von Cornelia Funke und viele andere von vielen Autoren, auch Märchen. Der Jüngste hatte den Berufswunsch Prinz. Er wollte gern Dornröschen erlösen.
Zu allen Zeiten überall
Ich las für sie zu allen Tageszeiten. Auf dem Sofa, auf dem Boden, am oder im Bett. Die Texte kürzerer Bücher kannten sie nach überraschend kurzer Zeit aus dem “ff” und merkten sofort, wenn ich schummeln wollte.
Ab und zu schlief ich vor ihnen ein. “Psst Papa, Mama schläft schon!”
Mir wird’s ganz warm und gemütlich innen, wenn ich an diese Zeit denke.
Manchmal fehlt er mir zu meinem Leseglück
Seit Jahren nun bin ich in Spanien. Manchmal fehlt mir mein Lieblings-Buchladen. Weit und breit gibt es hier keinen, der deutsche Bücher führt.
Bücher zum Anfassen
Wie wohltuend dagegen war es doch in aller Ruhe stöbern zu können in einem richtigen Laden mit Büchern zum Anfassen. Manchmal hatte ich welche als Geschenke für mich einpacken lassen. Sie dann in einer Tüte nach Hause zu tragen oder ins nächste Café, das war Vorfreude in Reinform.
Heute hier
Hier lese ich bis auf wenige Ausnahmen digital und bin heilfroh, die Möglichkeit zu haben. Im letzten Jahr schenkte mir mein Partner zum Geburtstag ein Kindle. Nichts blendet mehr und das kleine Teil wiegt deutlich weniger als ein iPad.
Besondere Begegnungen
In den vergangenen Monaten faszinierte und berührte mich besonders
“Eine Frage der Chemie” von Bonnie Garmus und ich lernte Hanns-Josef Ortheil im neuen Kulturkreis kennen, eine große Bereicherung. Er verstummte als Kind und fand durch das Schreiben zurück zur gesprochenen Sprache.
Auch war ich wieder in der Welt der alten Philosophen unterwegs: Gelassenheit, Seelenruhe und Weisheit, welch verheißungsvoller Dreiklang.
Haben mich Bücher verändert?
Ich glaube schon. Sie haben mir neue Welten eröffnet, sind Impulsgeber, Lehrer, Tröster. Ich fühle mich mit ihnen verwoben und brauche sie – täglich.
Dazu eine alte Geschichte
Ein Schüler klagt: "Meister, ich habe so viel gelesen, aber das meiste vergesse ich!"
Da gibt ihm der Meister ein staubiges Sieb und fordert ihn auf, damit Wasser vom Brunnen zu holen. Der Schüler wundert sich, aber er macht sich auf, denn es ist unmöglich, dem Meister zu widersprechen.
Etliche Male taucht er das Sieb in den Brunnen. "Es geht nicht, Meister. Ich kann damit kein Wasser holen! Ich habe versagt!"
Der alte Mann lächelt: "Nein, du hast nicht versagt. Doch sieh dir das Sieb genau an! Aller Staub ist nun weg."
"Wenn du Bücher liest“, fährt er fort, “bist du wie ein Sieb und die Bücher sind wie frisches Wasser. Ihre Worte, ihr Wissen und ihre Weisheit reinigen deinen Geist und deine Seele. Sie machen dich zu einem besseren Menschen. Das ist der Zweck des Lesens. (Quelle unbekannt)
Kleine Ergänzung
Sie führen in andere Welten, lenken ab von eigenen Sorgen und können so helfen, schwierige Phasen zu bewältigen.
Empfehlungen
Philosophische Themen
Bereits gesendete Episoden können jederzeit im Podcast angehört werden.
Ein Austausch mit anderen nachdenklichen Menschen in einer einzigartigen öffentlichen philosophischen Diskussion.
Montags von 19.04 - 20.00 Uhr
Moderator der Sendung ist Jürgen Wiebicke.
Buchgefühl - reden und lesen
Originaler Ankündigungstext: "Zum Lächeln, zum Weinen, zum Nachdenken, zum Aktivwerden? - Dieser Podcast zieht ins Buch: mit O-Tönen und Gespräch mit dem Autor und der Autorin, mit einem Ausschnitt aus dem Text, gelesen von Schauspielern und Schauspielerinnen. Und mit ein bisschen Musik. Oft Roman; manchmal Sachbuch, immer eine Empfehlung."
Nicht vergessen bitte!
Wenn euch der Beitrag gefallen hat, dann könnt ihr das kleine Herz links unten anklicken. Mir hilft es zu verstehen, was gefällt.
Comments