
Die Skulptur von Miguel Moreno steht am Strand von La Herradura und erinnert an die Ereignisse aus dem Jahr 1562.
Ruhig ist es heute hier. Das Meer gibt sich harmlos. Aber es kann auch anders. Es kann wüten und zerstören, kann von den 28 Schiffen einer Armada 25 zerstören und etwa 5.000 Menschen den Tod bringen. So geschehen in der kleinen malerischen Bucht La Herradura am 19.10.1562.
Ich wusste irgendwann, dass die Statue an die Furia del Mar von 1562 erinnert. Ich wusste, dass eine Armada in der Bucht von La Herradura Schutz vor einem Sturm suchte. Und ich hatte gehört, dass sich der ohnehin bereits heftige Wind in einen schrecklichen Orkan gewandelt und vor allem obendrein die Richtung geändert hatte.
Aber was genau geschah und warum die Galeeren überhaupt unterwegs waren, welche geschichtlichen Zusammenhänge dahinter stehen, das wusste ich nicht.
Das Unglück von 1562 ist eng mit der Verteidigungspolitik von Felipe II. im Mittelmeer verwoben. Es geschah vor dem Hintergrund der Bedrohungen durch berberische Piraterie und Kaperfahrten. Aufgrund der Unterstützung durch das osmanische Reich hatte diese im westlichen Mittelmeer deutlich zugenommen.
Kleiner Einschub: Unterschied zwischen Kaperfahrt und Piraterie
Zurück zur Ausgangssituation: Bereits unter Karl V. wurden Verträge abgeschlossen, die die Schaffung einer Armada von Schiffen aus Spanien, Sizilien, Neapel und Genua ermöglichten. Im Jahre 1562 bestand diese Flotte aus mehr als 70 Schiffen.
Die so genannten “Galeeren von Spanien” wurden in zwei Geschwader aufgeteilt. Eines stand unter dem Kommando des Genuesen Juan Andrea Doria.
Das zweite, um das es hier geht, stand unter dem Kommando von Juan de Mendoza. Sein Geschwader sollte Korsaren ausschalten und bei Bedarf Stellungen in Nordafrika zu Hilfe kommen.
An der Fahrt ins Unglück waren 28 Galeeren beteiligt: 12 aus Spanien, 6 aus Neapel, 6 vom Markgrafen Antonio Doria, 2 vom Freibeuter Bendineli Sauli und 2 vom Freibeuter Estefano de Mar
Im Juli 1562 begann die Belagerung von Oran und Mazalquivir durch die Berber, zwei der letzten Hochburgen Spaniens in Nordafrika. Felipe II. befahl Juan de Mendoza beiden Orten zu Hilfe zu kommen. Daraufhin begab sich die Armada von Messina auf Sizilien nach Málaga.
Auf den Weg von Málaga nach Nordafrika machten sich später: 2914 Soldaten plus 635 mit Rüstungen versehene Männer, insgesamt 4.000 Ruderer und etwa 15 – 20 Matrosen pro Schiff. Hinzu kamen Familienangehörige der Truppen und Kommandanten.
Nach zwei Monaten Aufenthalt wartete Juan de Mendoza auf günstigen Wind. Aber am 18. Oktober setzte ab etwa sieben Uhr am frühen Abend ein heftiger Sturm aus Osten kommend ein. Der Hafen von Málaga bot in diesem Fall keine ausreichende Sicherheit. Mendoza befahl Málaga zu verlassen und die Bucht La Herradura anzulaufen.
La Herradura bedeutet Hufeisen, was treffend die Form der kleinen Bucht beschreibt.
Sie war Juan de Mendoza gut bekannt. Er hatte dort bereits zweimal Schiffe in Sicherheit bringen können, denn die Bucht ist im Westen durch den Cerro Gordo und im Osten durch den Cerro Punta de la Mona geschützt.
Cerro bedeutet Erhebung, Felsen oder Hügel, also etwas, das kleiner ist als ein “richtiger” Berg. Der Cerro Punto de la Mona erhebt sich an der höchsten Stelle etwas mehr als 80 m aus dem Meer.
Von Anfang an traten jedoch auf der Fahrt Probleme auf: Als die Schiffe die Gegend von Bezmiliana erreichten, dem heutigen Rincón de la Victoria, drehte der Ostwind und blies vom Land her.
In der Folge rammte die Caballo, eine der neapolitanischen Galeeren, die spanische Soberana. Deren Ruder brach und sie musste von zwei Schiffen abgeschleppt werden.
Nach einer kleinen Flaute, in der der Wind aus Südwest kam, wehte er ab etwa Nerja wieder aus dem Osten kommend mit großer Kraft. Die Segel mussten eingezogen werden und die Ruderschläge wurden erhöht.
Etwa um 10 Uhr erreichte die Armada die Bucht La Herradura. Die Schiffe brachten sich im östlichen Teil der Bucht in Positionen und beendeten das Manöver gegen elf Uhr. Die Felsen der Punta de la Mona schützten nun die vor Anker liegenden Galeeren vor dem gefährlichen Ostwind. Doch die Sicherheit sollte sich als trügerisch erweisen. Der Wind drehte.
Als Südwestwind in Orkanstärke wurde er zur Bedrohung für die Armada. Man spricht von einer Windgeschwindigkeit von um die 100 km/h und von Wellen zwischen sechs bis neun Metern Höhe.
Ich schaue mich in unserer Wohnung um, die eine Deckenhöhe von 2,70m hat und stelle mir die Wellen mehr als doppelt und dreimal so hoch vor. Wahnsinn!
Die Geschwindigkeit des Wechsels der Windrichtung und die Wucht, mit der die Natur die Armada traf, machte das Lichten der Anker unmöglich, zumal Mendoza zu Beginn des Südwestwindes den Befehl erteilt hatte, einen zweiten Anker auszuwerfen. Die Galeeren wurden gegeneinander oder gegen die Klippen des Punta de la Mona geworfen und zerschellten.
Auch die Capitana, das von Mendoza kommandierte Schiff, kenterte und Mendoza fand den Tod. Er wurde vom Ruder des Schiffes erschlagen.
Der Sturm legte sich nachmittags um 16 Uhr. Fünfundzwanzig der achtundzwanzig Galeeren lagen auf dem Meeresgrund. Nur drei Schiffe, die Mendoza, die Soberana und die San Juan kamen davon. Ihnen war es gelungen, die Klippen Punta de la Mona kurz nach Beginn des Sturms zu umfahren und so auf der Ostseite sicher zu sein. Ich schließe daraus: Die Kapitäne hatten eigenständige Entscheidungen getroffen, sich dem Befehl von Mendoza widersetzt.
Es sei schwierig, die Zahl der menschlichen Verluste genau zu beziffern und es würde genügen zu wissen, dass nur fünf von insgesamt mehr als 400 Menschen der La Capitana gerettet wurden. So ist es zu lesen.
Andere bestätigen: Eine genaue Zahl der Toten ist unbekannt. Dennoch sprechen zeitgenössische Quellen und spätere Schätzungen von etwa 5.000 Todesopfern. Diese Opfer umfassten Soldaten, Ruderer, Matrosen und Passagiere, unter ihnen auch Kinder.
Besonders hervorzuheben ist: Mendoza hatte während des Sturms angeordnet, die Galeerensklaven zu befreien. Wenn ich mir die katastrophalen Bedingungen anschaue, unter denen die Ruderer leben mussten, dann darf wohl angenommen werden, dass es keinesfalls aus christlicher Nächstenliebe geschah.
Die Sklaven trugen keine Rüstungen oder Brustpanzer oder sonstige schwere Kleidung, was das Schwimmen erleichterte. Daher bildeten sie 86% der Überlebenden, etwa 1740 Menschen. Viele flüchteten und versteckten sich. Allerdings wurden sie später wieder gefangen genommen. Die Hoffnung auf ein würdevolles Leben in Freiheit währte nur kurz.
Im Museum erfuhr ich so nebenbei: Das Dorf La Herradura gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Hilfe kam von auswärts.
Im 18. Jahrhundert war die Gegend hier Schauplatz von Überfällen durch Piraten. Deshalb ordnete Carlos III im Jahr 1764 den Bau eines Castillos, einer Festung, neben einem Fluß in der Bucht von La Herradura an. Sie ist flankiert von je einem Wachturm auf dem Cerro Gordo und Punta de la Mona.
Nach dem Ende der Piraterie wurde das Castillo1839 an die Carabiñeros abgetreten. Sie sollten für Sicherheit sorgen und den Schmuggel verhindern.
Von 1940 – 2003 nutzte die Guardia-Civil die Festung als Kaserne.
Im Jahr 2005 erwarb die Stadtverwaltung das Gebäude und beauftragte den Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) mit der Restaurierung und Umwandlung in ein Museum. Die Ausstellung dreht sich um das Schiffsunglück und ist den Opfern des Schiffbruchs gewidmet. Titel: “1562 – La Furia del Mar”
Die Exponate werden zweisprachig erläutert – in Spanisch und Englisch. In einem der Räume erwartet die Besucher ein 9-minütiges Video, leider ohne deutsche Untertitel. Trotzdem lohnt das Ansehen, schon weil die Präsentation beeindruckend gemacht ist. Und wer den Artikel gelesen hat, der weiß ja ungefähr, worum es geht.
Bei meiner Suche ist mir zu guter Letzt dieses Video begegnet. Man bekommt eine kleine Ahnung vom Museum.
Neben der Skulptur am Strand und dem Castillo wird an einem weiteren Ort der Katastrophe gedacht. Die Gedenktafel aus Keramikfliesen steht seit 1995 vor der Kirche. Auf ihr ist geschrieben, dass Cervantes in seinem Roman Don Quijote die Furia del Mar erwähnt.
Das Unglück von La Herradura im Jahr 1562 gehört mit etwa 5.000 Opfern zu den größten in der spanischen Marinegeschichte.
1518 starben 4.000 Menschen beim Untergang einer Armada unter dem Kommando von Don Hugo de Moncada.
Und im Jahr 1541 nahmen mehr als 140 Schiffe zur Eroberung von Algier teil. Die Flotte wurde zwischen dem 23. und 25. Oktober von einem schweren Sturm getroffen. 8.000 Menschen fanden den Tod. Etwa 9.000 weitere Soldaten, die zuvor angelandet worden waren, wurden von den Truppen des osmanischen Statthalters völlig aufgerieben. Das Unternehmen war gescheitert.
Mich bedrücken diese Geschichten. Immer wieder wird wer angegriffen, immer wieder muss sich wer verteidigen – ein scheinbar ewig währendes Hin und Her. Manchmal fürchte ich, die Menschheit als Ganzes lernt nur wenig hinzu. Unsere zivilisatorische Decke ist ein dünnes Eis, auf dem wir uns bewegen, wie uns die jüngste Vergangenheit gerade wieder zeigt.
Die Ursache allen Elends sei das Begehren, das Habenwollen, sagen weitaus klügere Leute als ich – und nie sei es genug.
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6 Antworten
Ich lese die Geschichten rund um unseren wunderbaren Lebensraum immer sehr gerne. Wie schön ist es, unseren Besuchern zu zeigen und zu erzählen , was la Herradura ausmacht. Vielen Dank für die Beiträge. Wir sind begeisterte Follower!
Hi Christin,
lieben Dank für deine freundliche Rückmeldung. Mir macht es viel Freude, den Dingen nachzugehen, um meine Wahlheimat besser kennen zu lernen und zu verstehen. Und noch mehr Spaß macht die Suche, wenn auch andere daran Freude finden. Liebe Grüße, Ramona
Hallo Ramona,
Dir ist hier wiedermal ein interessanter Bericht gelungen. Vielen Dank dafür.
Grüße zum Hufeisen aus der “Scharfen Stadt”
Achim
Lieben Dank, Achim. Ich fand auch sehr interessant, was ich dabei so alles erfahren hab.
Liebe Grüße, r.
Interessanter Bericht, besonders wenn man den Ort, die Bucht kennt. Danke.
Hi Siegbert, vielen Dank. Freue mich, wenn es für Leser interessant ist. Liebe Grüße