Leben in Andalusien

Deutschsprachige Vereinigung Almuñécar

Foto: Omar Alberto Rizzo Taverna

Vorneweg-Worte

1999 – Gründungsjahr der “Deutschsprachigen Vereinigung Almuñécar und La Herradura”. 

Wie hatte alles mal begonnen? Das möchte ich heute erfahren. Ich befinde mich zusammen mit drei Frauen in der Eisdiele “Isla de Capri”. Bei mir sind Marion Möller, Barbara Odstrcil und Christine Blanco Cruz.

Marion lebt seit 1970 hier. Sie kam mit ihrem Mann und drei kleinen Kindern; Barbara zog es 1982 mit ihrem Mann nach Almuñécar und Christine kam mit ihrer Familie 1990.

Es sind besondere Frauen. Sie gehörten zur Gündungsgruppe des Vereins. Ich bin gespannt, was sie erzählen werden. 

Ausgangssituation

Die Vereine waren und sind bis heute wichtige Ansprechpartner für die Stadtverwaltung. Bei Problemen wurde der entsprechende Verein eingeschaltet, vor allem wenn wer im Krankenhaus war und nicht Spanisch sprechen konnte. 

Residenten anderer Nationen hatten bereits Vereine gegründet. Für Deutsche bzw. Deutschsprachige gab es keinen offiziellen Ansprechpartner. Die Stadt bat, einen Verantwortlichen zu benennen.

Was wäre, wenn ...

Christine, ihr Mann Enrique und Freunde sprachen bei Treffen über den Wunsch der Stadt. Enrique warf irgendwann die Frage in den Raum: Was wäre, wenn wir einen Verein gründen würden? Nach kurzer Diskussion entschied sich die Gruppe dafür und nicht nur, weil die Stadt daran interessiert war. Es gab genug gute Gründe – auch aus Sicht der Residenten. 

Info am Rande: Residenten werden alle genannt, die ihren ersten Wohnsitz in Spanien haben – auch Spanier. 

Zwei Säulen - Kultur und Sozial

 

Die ersten Ziele waren:

  1. Integration der Residenten in das Alltagsleben Almuñécars anstelle einer Parallelwelt. 
  2. Zumindest Grundkenntnisse in Spanisch sind dazu erforderlich. Die zu erwerben, sollte ermöglicht werden. 
  3. Man wollte sich intensiver am kulturellen und sozialen Leben der Stadt beteiligen, durch aktive und passive Teilnahme an Festen und kulturellen Veranstaltungen, aber auch soziale Verantwortung übernehmen – z.B. durch Spendenaktionen.
  4. Als offizieller Verein wäre es einfacher, die eigenen Interessen gegenüber der Verwaltung vertreten zu können.
  5. Vor allem sollte auch das Miteinander der deutschsprachigen Residenten gefördert werden. Der Mensch als soziales Wesen  benötigt andere, sonst vereinsamt er rasch. 
 

Vorschläge oder Wünsche waren willkommen.  

Ob überhaupt wer kommt?

Mit einer Info-Veranstaltung sollten weitere Interessierte gefunden werden. Die Stadt stellte dafür einen Raum in der “Casa de la Cultura” zur Verfügung. Per Aushang informierte man über die geplante Vereinsgründung und sprach Deutsche, Österreicher und Schweizer an. Das erste Treffen fand statt am 4. Mai 1999. An die 20 – 25 Personen kamen zusammen. Daraus erwuchs eine Gruppe von 10 – 12, die sich regelmäßig im privaten Bereich zusammensetzten.

Die Bürokratie

Der bürokratische Prozess begann. Statuten mussten her. Die “Francofones” stellten ihre zur Verfügung. Damit gab es eine Basis, an die die eigenen Vorstellungen angepasst wurden. 

Alles musste auch in Spanisch abgefasst werden. Für den Spanier Enrique war das kein Problem. Die Unterlagen wurden zur Registrierung nach Granada geschickt und anerkannt. 

Nur 7 Monate später – am 9. Dezember 1999 – wurde zur ersten Vorstandswahl eingeladen. 

Deutschsprachige Vereinigung Almuñécar
Der erste Vorstand - von links nach rechts stehen da zusammen: Peter Bammann, Wally Völp, Barbara Odstrcil, Christine Blanco Cruz, Marion Möller, Helga Symanek und Toni Erhard

Wie der verein bekannt gemacht wurde

Zur Erinnerung: Es gab zu dem Zeitpunkt weniger Handys und schon gar kein weltverbindendes Internet in jeder Wohnung.

  • Flugblätter wurden erstellt, gedruckt und ausgelegt. 
  • Die Stadt erteilte die Genehmigung einen Aushängekasten anzubringen. Der wurde in Eigenregie gebaut und installiert in der Helga-Söhnel-Strasse. Leider gibt es kein Originalfoto davon. 
  • Die CSN (Costa del Sol Nachrichten) schrieb einen Artikel über den neuen Verein. 
  • Ideal (eine spanische Zeitung) berichtete ebenfalls.
  • Das Deutsche Konsulat wurde informiert. 
  • Die anderen Vereine ausländischer Residenten ebenso.

Erste Angebote

  • Rasch wurde eine Wandergruppe ins Leben gerufen, die nun seit mehr als 20 Jahren regelmäßig die nähere oder fernere Umgebung erkundet, immer montags. Anschließend kehren meist alle ein und lassen sich die andalusische Küche gut schmecken.
  • An jedem zweiten Freitag traf man sich zum Skat, Domino oder Plaudern, je nach Lust und Laune. 
  • Nach wenigen Monaten kam eine Petanca-Gruppe dazu. Auch diese trifft sich seither immer mittwochs. 
  • Vorträge wurden organisiert. Im ersten ging es um psychosoziale Probleme im Alter, in einem weiteren um die Unterschiede im spanischen und deutschen Gesundheitssystem. 
  • Geplant wurden gemeinsame Städtetouren und Konzertbesuche. Später machte man sich gar mehrmals bis nach Marokko auf den Weg. 
  • Der Verein nahm bereits im ersten Jahr am Europafest teil. Es fand damals im Palacete de la Najarra statt,  eine schöne arabisch anmutende Villa umgeben von einem Garten. Heute ist die Touristeninfo dort zu finden. 
  • Vier Monate nach dem offiziellen Start zählte der Verein bereits um die 60 Mitglieder. 
Deutschsprachige Vereinigung

Gibt es einen persönlichen Höhepunkt?

Mich interessiert, ob es etwas Besonderes für die drei gab in der Zeit, als sie noch im Vorstand waren.

Christine

Für Christine gibt es keinen außerordentlichen Höhepunkt. Ihr ist der Verein als Ganzes mit seinen vielfältigen Möglichkeiten wichtig: der persönliche Austausch, das soziale Eingebundensein, die gemeinsamen Ausflüge zusammen mit anderen. Doch halt! Einen wöchentlichen Höhepunkt gibt es: die Wandergruppe. 

Christine beim Grillabend

Barbara

Barbara überlegte nicht lang. Das erweiterte Europafest war für sie ein ganz klarer Höhepunkt – die Begegnungsmöglichkeiten daran für sie das Interessanteste. Teilgenommen hatten alle acht Vereine ausländischer Residenten und die Partnerstädte von Almuñécar: Fürstenfeldbruck in Deutschland, Livry-Gargan in Frankreich und Cerveteri in Italien. Beim “erweiterten Europafest”, der Name verrät es, wurde der Radius weiter gefasst. So nahmen auch Vertreter aus Städten Nordafrikas teil. Diese präsentierten traditionelle Kunst, Schmuck und Kleidung. Die ortsansässigen Vereine sorgten für das leibliche Wohl.

Zum erweiterten Europafest hab ich leider nichts mehr gefunden, aber zum Fest aus 2005 kann man hier etwas nachlesen – auf Spanisch allerdings. 

Barbara in ihrem schönen Garten

Marion

Marion erinnert sich an einen Freitag im Jahr 2012, an dem es um deutsches Kulturgut ging. Die Stadtverwaltung hatte dem Verein die “Casa de la Cultura” für den ganzen Tag zur Verfügung gestellt. 

  • Das legendäre Neujahrskonzert der Wiener Philarmoniker aus dem Jahr 1987, von Karajan dirigiert, wurde per DVD eingespielt. Es war das einzige Mal, dass Karajan dieses Konzert dirigierte. 
  • Die DVD “Deutschland von oben” offenbarte, wie schön Deutschland anzuschauen ist. Es handelt sich um einen Film, für den einzigartige Aufnahmen per Zeppelin/Hubschrauber gemacht wurden. Grundlage für den Kinofilm ist die dreiteilige Dokureihe des ZDF “Stadt, Land, Fluß”. 
  • Die Theatergruppe bewies ihr Können. 
  • Eine Prästentation mit Fotos aus Deutschland unterlegt mit Gedichten, Liedern und Life-Musik bildete den Abschluss.
  • Natürlich wurde auch gut gegessen. Mittags reichte man Tapas, später dann hausgemachte Kuchen, die in der Zwischenzeit bei Festen aller Art auch von Spaniern heißbegehrt sind. 
Marion und Natur - ein untrennbares Paar

Und heute?

Der Verein zählt bald 250 Mitglieder. Einige sind Residenten, andere überwintern in Zugvögelmanier. Sie kommen im Herbst und gehen im Frühjahr. Noch andere verbringen hier regelmäßig einige Wochen. 

Ich hab zusammengetragen, was so alles geboten wird. Eine erstaunliche Liste ist entstanden. Wenn wem auffällt, es fehle was, der/die möge sich bitte bei mir melden. 

 
  • Wandern
  • Petanca 
  • Tagesausflüge
  • Kurzreisen
 
  • Museumsbesuche, zum Beispiel ins Zuckerrohrmuseum
  • Besuche von Fincas, die ökologischen Landbau betreiben
  • Führungen in Betrieben – wie Rum-Fabrik in Motril
 
  • Vorträge 
 
  • Strick-Plaudergruppe bei lecker Eisgenuss
  • Spieletreffen
  • Spanisch-Treffen
  • Stammtisch
  • Grillabende
  • Adventsfeier
  • Frühlings- und Herbstfest 
  • Fest zum Tag der Deutschen Einheit
 
  • Besonders hervorheben möchte ich: Kleingruppen Alleinstehender wurden organisiert, die an jedem Morgen eine Telefonkette bilden. 
 

Die Fotos bieten nur einen kleinen Einblick in das vielfältige Vereinsleben. Die Landschaftsfotos von Wanderungen hat mir Marion Möller zur Verfügung gestellt, das dritte in der ersten Reihe ist von der Familie Aeschbach. Lieben Dank!

Hintendran-Worte

Schaut man sich die zu allererst genannten Ziele an, dann kann ich nur sagen: VOLL ERFÜLLT! Sowohl kulturell als auch sozial gibt es eine Vielzahl von Angeboten. Für jeden ist etwas dabei.

Auch ich bin Mitglied im Verein und froh, dass es ihn gibt. Mir sind sehr liebe Menschen begegnet und ich habe Freundinnen gefunden, die ich im Falle eines Falles jederzeit anrufen könnte – ein nicht zu unterschätzendes Gut. Wegen Corona hatte ich mich lange zurückgezogen, das änderte sich in den vergangenen Monaten Stück für Stück.

In der Zwischenzeit sind viele neue Mitglieder hinzugekommen. Wie schön, dass der Verein so gut angenommen wird. 

Für weitergehende Infos und zu vielen Fotos geht’s hier zur Home des Vereins. 

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Ich finde, wir können der Gründungsgruppe dankbar sein, was meint ihr?

11 Antworten

  1. Liebe Ramona,
    seit einer Reihe von Jahren bin ich Mitglied unseres Vereins und freue mich darüber, immer wieder Gelegneheit zu hamonischen Zusammenkünften mit netten Menschen zu bekommen. Allen Mitgliedern, die sich ehrenamtlich für uns engagieren sei an dieser Stelle herzlich gedankt, und wenn diese einmal eine Entscheidung treffen, die der eine oder andere anders getroffen hätte, so wünsche ich mir, dass eventuelle Diskussionen hierüber immer in freundschaftlicher Harmonie stattfinden.
    Mit Interesse habe ich gelesen, dass es einmal ein gemeinsames Europafest aller Vereine ausländischer Residenten gegeben hat. Ob man das vielleicht wiederbeleben könnte?

    1. Lieben Dank für deinen Kommentar. Ob seitens der Stadt das Interesse besteht, das Europafest zu reaktivieren, kann ich leider nicht sagen. Liebe Grüße, Ramona

  2. Ich durfte als Gast bereits einige Male hinein schnuppern. Ich finde so einen Verein eine tolle Sache und die Zielsetzungen und Angebote wirklich sehr umfangreich. Dass es ursprünglich von der Stadt gewünscht war, wusste ich nicht. Das hast du alles sehr gut beschrieben, Ramona!

    1. Danke du Liebe, freut mich sehr, wenn dir der Artikel gefällt und du dich wohlgefühlt hattest. Ich hoffe sehr, dass es ein nächstes Mal geben wird. Bis dahin liebe Grüße aus dem schönen Andalusien. Deine Ramona

  3. Schön, dass du dir die Mühe gemacht hast,einige Frauen der Gründungsgruppe zu interviewen und die interessante Entstehung des Vereins für uns aufgeschrieben hast. Ich habe viel Neues erfahren.Danke, Ramona!

  4. Liebe Ramona,
    ist ja unglaublich, welche Arbeit du dir immer machst. Ich wollte, wir hätten mehr Mitglieder, die etwas aktiver werden. Vielen Dank.
    Erika Dumke

    1. Liebe Erika, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hab immer gern recherchiert, geschrieben und fotografiert. Hier im Blog fließt nun einfach alles zusammen. Liebe Grüße, Ramona

  5. lIEBE rAMONA; DANKE FÜR dein Engagement, als schreibende und fotographierende. Ich bin schon länger im Verein, aber wenig teilnehmend. In der Wandergruppe, bis mein Knie sich verletzte aber auf dem Golfplatz. Ich würde gern in eine Frauen Diskussionsgruppe gehen. Ob es dafür Interessentinnen gäbe? Ich komme aus einem schreibenden Beruf und lese und reflektiere gerne über alles Mögliche.
    Danke Dir Annegret

    1. Liebe Annegret,
      ich kann mir gut vorstellen, dass eine solche Gruppe angenommen werden würde. Könntest du dir denn vorstellen, eine solche anzubieten? Irgendwer müsste das ja übernehmen, Themen bedenken, zumindest zu Beginn. Dann könnten ja auch andere mal etwas dazu beitragen. Liebe Grüße, Ramona

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